Kettenblätter im Vergleich: oval vs. round
Vorgeschichte
Das Stanton Sherpa hat 2017 einen Großteil meiner Aufmerksamkeit auf sich vereint. Auch 2018 wird dieses Bike immer wieder als Basis für neue Teile herangezogen. Dabei steht immer im Fokus: Was kann an dem Rad noch verbessert werden?
Nachdem im Herbst in Anschluss an die Schlammschlacht am Chemnitzer Adelsberg das b.o.r. germany Innenlager den Geist aufgegeben hatte, tauschte ich die Innenlager samt Kurbel gegen gebrauchte Race Face Aeffect Komponenten. Die vergleichsweise günstigen aber soliden Teile im Austausch gegen die hochwertigen b.o.r. germany Teile sollten allerdings zumindest einen Hauch der edlen Optik des Ursprungsaufbaus erhalten. Gleichzeit wollte ich mein schon länger bestehendes Interesse an ovalen Kettenblättern endlich einmal ausleben und stieß so auf die Garbaruk Produkte. Bereits bei Aufbauten auf diversen Internetseiten waren mir diese positiv aufgefallen. Nun wurde es Ende des letzten Jahres also nochmal ernst und ich investierte in je ein rundes und ein ovales Blatt, für einen Vergleichstest. Gern hätte ich den intensiven Test auch schon eher gestartet, aber wie es manchmal eben so ist, kommt das Leben dazwischen. In diesem Fall bedeutete dies: Wetter, Arbeit und als außerordentlich positiver Zeitvertreib, die Familienplanung, die schneller als erwartet konkret wurde.
Oval vs. Round
Ovale Kettenblätter sind keine ultimative Neuerung aus dem Jahr 2017. Im Gegenteil, die Idee geistert schon einige Jahre durch die Bikewelt. Einige schwören darauf, andere sehen darin keinen Vorteil oder tun es als Innovationsgehabe ab. Da ich auch im Bekanntenkreis einige Kilometerfresser habe, die ihrerseits auf ovale Kettenblätter setzen, wollte ich mir selbst ein Bild davon machen.
Das Angebot ist vergleichsweise umfangreich. Zahlreiche Komponentenhersteller haben neben den runden Kettenblättern auch ovale Modelle im Sortiment. Einige Hersteller wie Rotor mit den Q-Rings, oder auch absoluteBLACK hingegen haben sich auf das Thema Oval spezialisiert. Mittlerweile gibt es allerdings auch von einem der Antriebsteile-Marktführer SRAM aktuelle ovale Kettenblätter.
Doch worin liegt der Grund dafür etwas so perfektes wie das Rad bzw. das runde Kettenblatt durch ein Ei/Oval zu ersetzen? Die Hersteller argumentieren, dass durch das ovale Blatt die Totpunkte beim Kurbeln, nämlich dann wenn die Kurbelarme auf 12 Uhr- und 6 Uhr-Stellung sind, also im Übergang von der Zug- zur Druckphase und umgekehrt, leichter überwunden werden können. Diese Kurbelstellungen seien beim als Ideal angestrebten „runden Tritt“ zwei Punkte, die der gleichförmigen Bewegung sozusagen im Weg stehen. Durch die abgeflachten Kettenblätter an diesen Stellen soll der Übergang problemloser und geschmeidiger erfolgen. Zudem soll durch die verbesserte Biomechanik die Belastung auf die Knie verringert werden. Zu erwähnen ist noch, dass die Konzepte der Hersteller in Bezug auf die ovalen Blätter zum Teil sehr unterschiedlich sind. Einige sind sozusagen ovaler als andere. Wieder andere lassen sich in verschiedenen Positionen montieren, sodass der Effekt des ovalen Blattes an unterschiedlichen Stellen beim Kurbeln zum Tragen kommt und individuell eingestellt werden kann. Diese Details sollen uns für unseren Test nicht weiter interessieren. Ich habe mich auch aus optischen Gründen für die Garbaruk Blätter entschieden und für eine bessere Vergleichbarkeit je ein rundes und ovales Blatt direkt beim Hersteller gekauft.
Zahlen, Daten, Fakten
Die Garbaruk-Kettenblätter gibt es für alle gängigen Kurbeltypen, mit und auch ohne Spider. Die georderten Kettenblätter mit je 34 Zähnen für die Race Face Cinch Kurbel wiegen 70 g (rund) und 67 g (oval) und kosten jeweils im Onlineshop von Garbaruk 65 $, was in etwa 56 € entspricht (Stand 25.05.2018).
Unsere Blätter kommen passend zu den Details des Stanton Sherpas in rot. Des Weiteren sind die Blätter auch in schwarz, grün, blau, violett, orange erhältlich. Die Blätter sind CNC gefräst und aus 7075-T651 Aluminium, besitzen das Narrow Wide Zahndesign und weisen zusätzlich besondere Fräskanten an der Zahnausseite auf, die das Kettenblatt schmutzabweisender machen sollen. Zudem setzt Garbaruk auf besonders lange Zähne damit die Kette jederzeit auch fest auf dem Blatt hält.
Montage
Die Race Face Cinch Kurbel ermöglicht das leichteste und schnellste Umbau-Prozedere, dass ich in Bezug auf den Kurbel- und Kettenblattwechsel bisher kennengelernt habe.
Tatsächlich wird nur ein 8mm Inbusschlüssel für das Lösen der Kurbelarme und ein ISIS Lagerschlüssel für den Wechsel des Kettenblattes am Kurbelarm benötigt. Das Ganze geht leicht von der Hand und dauert in Summe keine 5 Minuten.
Test
Um meine Neugier zu stillen startete ich den Praxistest zu Beginn des Jahres mit dem ovalen Kettenblatt. Das ovale Kettenblatt fühlte sich im ersten Moment tatsächlich so an, als ob es sich leichter treten lies. Der Antritt fühlte sich leichtgängiger und spritziger an und somit auch die Beschleunigung deutlich höher. Die ersten 100 Kilometer relativierten diesen Eindruck jedoch etwas, als ich im Vergleich dazu das Norco Range Enduro (SRAM GX Antrieb) und das Norco Search (Shimano 105 Antrieb) mit rundem Blatt fuhr. Jedes der Räder fährt sich aufgrund der verschiedenen Antriebe und Auslegungen sowieso grundlegend anders. Hier konnte ich keinen klaren Vorteil für das ovale Kettenblatt am Sherpa ausmachen. Bei bewusster Konzentration auf die Druckphase mit gleichzeitigem Verzicht auf den Zug am Pedal, ließ sich das leichte Gefühl reproduzieren. Bei der Konzentration auf einen runden Tritt hingegen verblasste dieser Eindruck. Der direkte Vergleich musste also her um mehr sagen zu können.
Hier zeigte sich, dass der zügige Kettenblattwechsel tatsächlich nur so leicht geht wie beschrieben, wenn alle Teile auch halten. Den ersten Lockring der Kurbel zerstörte ich bereits beim 2. Kettenblattwechsel. Beim Versuch den Ring mit den angegebenen 40 Nm anzuziehen, habe ich das Gewinde überdreht und der Lockring war futsch. Also zunächst Ersatzteile geordert um das Kettenblatt wieder fest montieren zu können. Zum Glück war es tatsächlich nur der Ring, der Schaden davon getragen hatte und nicht das Gewinde der Kurbel.
Das Testsetting für den Direktvergleich sah nach Sicherstellung aller notwendiger Materialien wie folgt aus: Ein sonniger Sonntagnachmittag im Mai, eine 6 km lange Testrunde mit gemächlichem 2 km langen Anstieg und insgesamt 60 Höhenmetern, der Rest ebenerdig und eine kurze Zielabfahrt. Mit dabei Pulsmesser, Geschwindigkeitsmesser und Trittfrequenzsensor. Das Setting sah 4 Runden vor: eine reguläre Runde mit rundem Kettenblatt, eine Runde mit ovalem. Im Anschluss eine Runde mit rundem Kettenblatt und selbst auferlegtem Schaltverbot, danach nochmal das gleiche Spiel für das ovale Blatt. Ziel war es herauszufinden, ob es neben dem subjektiven Gefühl auch messbare Unterschiede bei der Geschwindigkeit und Trittfrequenz gibt und inwiefern es einen Unterscheid macht und ob es für eines der Kettenblätter einen Vorteil bedeutet, wenn ich die komplette Bandbreite des Rades nutze oder quasi singlespeed fahre.
Im Anschluss an die erste Runde mit rundem Kettenblatt und nach dem Wechsel auf der ovale stellte sich direkt wieder das positive Gefühl der Erstbegegnung ein: leichtgängiger Tritt, gefühlt mehr Dynamik, Spritzigkeit und auch Geschwindigkeit. Bevor die harten Fakten zu Rate gezogen werden, folgten noch die Testrunden mit Schaltverbot. Hier war der Wechsel auf das Runde Blatt eine gefühlt deutliche Verschlechterung im Vergleich zur Fahrt mit ovalem Blatt, allerdings konnte es auch daran liegen, dass ich mich selbst auf den mittleren Gang (34er Blatt vorn, 24er Ritzel hinten) beschränkte. Doch auch der letzte Wechsel hin zum ovalen Kettenblatt mit gleicher festgesetzter Übersetzung zeigte die doch klaren Unterschiede im Gefühl zwischen den beiden Kettenblattformen. Die Zahlen der genutzten Sensoren bestätigen aus meiner Sicht mein subjektives Gefühl während der Fahrt, wenn auch nur geringfügig:
Im Vergleich der ersten beiden Runden war ich mit ovalem Kettenblatt 0,7 km/h schneller und hatte im Schnitt pro Minute 4 Kurbelumdrehungen mehr. Im Vergleich der Singlespeed-Runden beträgt der Unterschied nur 0.2 km/h bei gleicher Trittfrequenz in beiden Runden. Der Puls ist pro Runde permanent angestiegen, weshalb ich diese Zahlen der allgemeinen Ermüdung zuschreiben würde und nicht als Effekt der unterschiedlichen Kettenblätter deute.
Fazit
Zahlen werden oft herangezogen um Beweise zu liefern und um Erfahrungen zu objektivieren. Auch ich habe dies mit meinem Testsetting versucht, auch wenn ich mir im Klaren darüber bin, dass es keine 100%ig objektiven Daten sind. Wichtiger ist im Endeffekt auch für mich, wie sich etwas in der Praxis anfühlt und das lässt sich schwierig in Zahlen und Daten ausdrücken. Für mich hat das ovale Kettenblatt im direkten Vergleich deutliche Vorteile. Dynamischer Antritt, leichtgängigeres Kurbeln und gefühlt mehr Geschwindigkeit bedeuten für mich ein klares Upgrade. Runde Kettenblätter hingegen haben bisher immer funktioniert und werden es auch weiterhin. Ich weiß allerdings für mich persönlich, dass ich bei Neuanschaffungen wenn möglich ab sofort eher zum ovalen Blatt greifen werde, da es mir das Fahren angenehmer macht, und das ist schließlich das eingangs erwähnte Ziel bei den kommenden Umbauten. Gleichzeitig kann ich allen Interessierten nur empfehlen es auszuprobieren. Aus meiner Sicht lohnt es sich auf jeden Fall.
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