BrakeForce One – Weg statt Kraft
Echte Innovationen sind ja nicht gerade das tägliche Brot der Bike Industrie. Eher ist es ein Prozess jahrelanger Evolution. Doch mit BrakeForceOne könnte tatsächlich ein Stück deutsche Technik als Innovation auf dem Bremsenmarkt herhalten. Seit eh und je sind hydraulische Scheibenbremsen am Bike kraftabhängig.
Wer stark drückt fliegt halt mehr oder weniger über den Lenker. Je nach Leistung der Bremse kann das auch schon mal schmerzen in den Armen bedeuten, und nicht erst nach dem Fall. Der Erfinder der Brake Force One dachte also darüber nach wie man dieses Kraftproblem angehen kann, und brachte den Bremskraftverstärker in das System. Damit ändert sich einiges. Statt Hebelkraft wird nun der Hebelweg das entscheidende Kriterium, das für Stillstand sorgen soll.
An dieser Stelle erspare ich euch den langen technischen Diskurs zum erläutern der Funktionsweise, denn hier wurde schon viel geschrieben und so verweise ich auf die sehr guten Erläuterungen von bikerumors.com und rund-ums-rad.info.
Kurz gesagt ist das neue an dem System vor allem im Bremssattel zu finden. Entgegen aller anderen Hersteller wird dort zusätzlich eine, auf einem Stufenkolben basierende, hydraulische Übersetzung verbaut. In der ersten Stufe, solange die Beläge die Scheibe nicht berühren, fließt das Öl ungehindert durch den Stufenkolben direkt zu den Nehmerkolben. Aufgrund des extrem großen Geberkolbens im Bremshebel, wird ein großes Ölvolumen bewegt und die Pads werden sehr schnell an die Bremsscheibe geführt. Sobald die Beläge anliegen baut sich im Sattel ein Druck auf, welcher den Stufenkolben und damit eine hydraulische Übersetzung aktiviert, und diese zweite Stufe übernimmt die eigentliche Bremskraftverstärkung.
Quelle: Bikerumors.com
Aber Technik hin oder her, am Ende muss eine Bremse nur eines, nämlich verzögern. Von daher soll es nun an die praktischen Erfahrungen gehen.
Look and Feel:
Wenn man andere Bremsen gewöhnt ist, kommt einem die BFO beim Auspacken fast schon etwas wie Spielzeug vor. Nur der massive Sattel vermag hier ein Statement abzugeben was nach Leistung aussieht. Aber das nur zur subjektiven Wahrnehmung. Der Hebel ist in einem Spritzgussverfahren aus einem Composite Compound Material gefertigt und hat daher wie auch Maguras MT6 und 8 leider eine Plastikoptik. Auf der anderen Seite ist er aber auch extrem leicht. Gleiches gilt für den bekannten Ein-Finger Hebel. Der aktuell verbaute oder auch nachträglich zu erwerbende Zwei-Finger Hebel ist aus Aluminium.
Der Bremssattel ist im Vergleich zu den aktuellen Modellen anderer Hersteller optisch ein Monster. Neben ihm wirk gar ein Avid Trail oder Shimano Saint Bremsattel wie an Kleinwuchs erkrankt. Doch das sagt ja noch lange nichts über die Leistung aus. Gefertig wird er aus einem Stück Aluminium, welches nicht mehr wie zu Beginn eloxiert wird, sondern nun lackiert ist. Unübersehbar prangt das BFO Logo samt Produktionsnummer auf dem Sattel.
Das eigentliche Highlight, welches anderen Bikern immer wieder ein „ist das Geil!!“ über die Lippen rutschen lies, sind die transparenten Bremsleitungen. In der Style Wertung wären das zwar 100 Punkte, aber leider ist dieser Bremsschlauch Fluch und Segen zugleich, dazu aber später mehr.
An Features gibt BFO dem Nutzer eine Hebelweitenverstellung und indirekt eine Druckpunktverstellung, welche eigentlich die Belagnachstellung ist, mit auf den Weg. Indirekt deswegen, weil das System der BFO ohne Ausgleichbehälter funktioniert, die Belagrückstellung funktionert also allein über den Ölfluss. Es ist also ein ähnlichen Nachstellen der Beläge wie bei Maguras HS Felgenbremsen nötig.
Praxiserfahrungen:
Nach vielen Wochen auf den heimischen Trails und einem finalen Test im Singltrek Centrum Pod Smrkem, wollen wir unsere Praxiserfahrungen in Bits und Bytes pressen.
Beginnen wir beim Thema Hebel. Bei wohl kaum einem Bremshebel gab es so endlose Diskussionen wie beim Ein-Finger Hebel von BrakeForce One. Die einen lieben ihn, die anderen hassen ihn oder kommen einfach nicht mit ihm klar, mal abgesehen von den Leuten die mit zwei Fingern bremsen. Über die Zeit musste ich feststellen, dass beide Lager ihre Berechtigung haben. Denn obwohl der Hebel gut am Finger anliegt, kann er einem vor allem in der langen Einbremsphase negativ aufstoßen, da man ihn meist deutlich weiter zieht, als das der Fall ist, wenn die Bremse richtig eingebremst ist. Durch das weite ranziehen des Hebels zieht dieser wiederum den Finger zur Lenkermitte. Und da die Griffmulde durch den Gummieinsatz enorm griffig ist, kann der Finger auch nicht in dieser gleiten, sondern ist regelrecht fixiert. Hinzu kommt noch, das der Griff verhältnismäßig „fett“ ist, das ist einfach nicht jedermanns Geschmack. Wenn die Bremse dann aber ihre Power hat ist zumindest meiner Meinung nach das erste Problem nicht mehr ganz so extrem. Deutlich entspannter geht es da schon mit dem Zwei-Finger Hebel zu. Dieser eignet sich auch perfekt um die Bremse mit einem Finger zu fahren.
Wenn man sich dann auch einmal an die hebelweitenabhängige Bremsleistung gewöhnt hat, wird man vor allem eines feststellen, und das ist ein Punkt der auch mich überzeugt hat: die Dosierbarkeit ist superb. Die Bremsleistung lässt sich sehr fein auf den Track abstimmen, dabei kann die Bremse aber auch kräftig zupacken wenn es mal nötig ist. Doch das Ganze hat einen Hacken und dieser wird vor allen Fahrer mit kleinen Händen treffen. Denn wer sich den Hebel zu weit an den Lenker holt, der wird nicht die volle Bremsleistung erhalten. Was bei leichten Fahren noch kein allzu großes Problem darstellt, kann sich bei schwereren Fahren selbst bei der von uns gefahrenen 203 mm Scheibe bemerkbar machen. Nicht das die Bremse mich nicht zum Stehen bringen konnte, doch ihr fehlte der letzte Biss, wie er bei vollem Hebelweg zur Verfügung steht. Um dem entgegen zu wirken gibt es hier die Möglichkeit das System dahingehend zu missbrauchen, den Druckpunkt so weit zu verändern, das die Leistung wieder passt. Das wiederum steht dem beworbenen Feature entgegen, einen besonders großen Luftspalt zwischen Bremsscheibe und Belag zu haben. Durch die Funktionsweise lässt sich die Bremse so zwar perfekt an die eigenen Vorlieben anpassen, aber man muss gegebenenfalls auch mit etwas weniger Leistung leben.
Im Vergleich zu Avid und Shimano empfinde ich die Hebelkräfte bei der BFO von Beginn an etwas höher. Auf den Trails von Pod Smrkem fiel dies jedoch kaum ins Gewicht. Auch den quasi nicht vorhandenen Druckpunkt vermisste ich keineswegs. Man merkt schon noch wann die Pads anliegen. Man braucht also keine Angst davor zu haben vielleicht aus Versehen mal eben über den Lenker zu fliegen.
Die reine Bremsleistung empfinde ich dabei als auf Augenhöhe mit einer Shimano XT. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Auch bemerkte ich eine Stagnation der hohen Bremsleitung schon nach kurzen Abfahrten, dort wo beispielsweise meine XT noch weiter spürbar an Leistung dazu gewinnt, zeiht man den BFO Hebel voll durch ohne das sich „mehr“ tut. Beobachten konnte ich dieses Verhalten aber nur bei mir mit ca. 125 Kg Systemgewicht. Bei einem leichten 80 Kg Fahrer trat dieses Verhalten nicht auf und es war auch bei der finalen Abschlussbremsung problemlos ein Stoppie möglich. Der große Unterschied kommt vor allem beim Gewicht, denn hier spielt die BFO in den vordersten Rängen mit, während die Shimano Bremsen eher zur schwereren Garde gehören. Unsere Testbremse brachte 203 g (87 cm) am Vorderrad und 221 g (146 cm) am Hinterrad auf die Waage. Eine Shimano SLX oder XT bringt hier schon mal 100 g mehr mit – pro Bremse versteht sich.
Service:
Aus technischer Sicht präsentierte sich unsere Testbremse sowohl von ihrer besten als auch nervigsten Seite. So ist das Entlüften wahrlich ein Kinderspiel, warum man bei BFO jedoch auf einen Bleeding-Block verzichtet entzieht sich meinem Wissen. Das Gewinde der Madenschraube im Bremshebel ist empfindlich. Die Entlüftungsspritze ist hier schnell mal unbeabsichtigt schief angesetzt und in diesem Fall gewinnt das Metallgewinde gegenüber seinem Kunststoffgegenstück. Man sollte also Vorsicht walten lassen. Und auch wenn wir die Bremse luftfrei hatten, spätestens nach einer ordentlichen Ausfahrt sammelten sich kleine Luftblasen im Schlauch der vorderen Bremse. Und hier wären wir beim Fluch und Segen des transparenten Schlauches. Der Einfluss der Luft ist aufgrund des Niederdrucksystems zwar als geringer einzuschätzen als bei konventionellen Bremsen, aber da man die Blasen sieht will man sie loswerden. Zudem zeigte sich vor allem an der vorderen Bremse ein immer dichter werdender Grauschleier aus feinsten Abriebpartikeln des Kunststoffgehäuses.
Weiterhin missfiel mir etwas der extrem steife Schlauch, sicher nicht dramatisch, aber dagegen wirken Standardleitungen wie weicher Gummi. Es macht die Montage nicht unbedingt entspannter und beim Abbau zeigten sich recht deutliche Scheuerspuren an unserem Rahmen.
Nach dem Test ist vor dem Test:
Wegen den festgestellten Problemen gaben wir BrakeForce One die Chance vor allem bezogen auf das Luftproblem noch einmal Hand an unserer Bremse anzulegen. Dabei stellte sich eine defekte Dichtung am Hebel als Übeltäter heraus. Da so etwas jedem Hersteller passieren kann, muss man in dem Fall einfach mal sagen, dass wir wohl Pech hatten. Nach dem Service bei BFO war die Luft raus und es kam auch nach langen Abfahrten nicht wieder zu Luftproblemen. Zudem konnten wir auch feststellen das die Maximalbremsleistung konstanter blieb und sich das System ingesamt wieder knackiger anfühlte.
Fazit:
Ich muss zugeben, mein Fazit fällt zweigeteilt aus. Hat man die quälend lange Einbremszeit mit den Original BFO Bremsscheiben einmal hinter sich, bekommt man viel Leistung und eine tadellose Dosierbarkeit. Bei sonst vorbildlicher Standfestigkeit, wurde nur bei schweren Fahrern eine stagnierende Leistung bei längeren Abfahrten festgestellt. Zur BrakeForce One gibt es dann noch den Stylefaktor, das Gefühl etwas besonderes zu fahren und einen hohen Grad an Individualismus durch verschiedene Farben des Bremssattels und der Möglichkeit dem Öl eine Wunschfarbe zu geben. Das sehr gute Leistungsgewicht steht ebenfalls auf der Habenseite der BrakeForce One. Sachlich betrachtet hat die Bremse aber kaum mehr Leistung als aktuelle Zweikolben-Bremsen von Avid, Shimano oder Magura. Kostet aber mal eben das Doppelte bis Dreifache. Und dann wäre da noch die Problematik mit eher kleinen Händen in Kombination mit schweren Fahrern.
Liebhaber luxuriöser Anbauteile a là Tune oder eben jene die auch mal mehr ausgeben können bzw. wollen, werden sich sicher nicht scheuen die veranschlagten 370€ pro Bremse auf den Tisch zu legen. Der Gegenwert ist eine der leichtesten und dazu stärksten Bremsen abseits des Mainstream. Weniger Gramm kosten halt mehr Euro. Die Biker, die weniger aufs Gewicht und mehr auf Geld schauen müssen, verzichten bei einem 200 € Bremsenset jedoch nicht auf Leistung. Das ist aber immer eine Philosophiefrage. Mir persönlich ist das Gewicht zwar nicht egal, aber auch nicht sonderlich wichtig, daher bevorzuge ich Funktion und Leistung für den kleinen Geldbeutel. Die Aspekte Dosierbarkeit und hebelweitenabhängige Kraft konnten mich aber durchaus überzeugen, persönlich würde die Bremse bei mir aber am Preis scheitern.
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Mir gefällt die Bremse sehr gut nur ist leider der support unter alller sau………….
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Magst du uns deine Erfahrungen erzählen?
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Sicherlich ist der nicht so klar vorhandene Druckpunkt, wie man ihn teilweise von anderen Bremsen kennt, gewöhnungsbedürftig, doch wer will gewöhnt sich daran. Was nicht bedeutet, dass man sich an was schlechtes gewöhnt, sondern wer die Bremse eine ganze Zeit gefahren ist, wird absolut positiv überrascht!
Ich finde die Bremse echt super und komme ursprünglich aus dem Trialsport, sie ist leicht, individuell anpassbar und hat eine super Power.
Man sollte sich mal den 2014 Bremsgriff ansehen, BFO hat echt dazugelernt und jetzt ist die Bremse absolut der Hammer. Ich fahre sie in allen Bereichen und bin einfach zufrieden, eines ist vielleicht am Anfang etwas nervig, die Scheiben brauchen eine gewisse Einfahrzeit, doch andere Hersteller haben das auch. -
Ich konnte die Bremse ein paar Minuten fahren. Mein Eindruck zur guten Dosierbarkeit war dabei ein anderer. Sicher kann man sich bei längerer Benutzung an den weichen Druckpunkt gewöhnen. Aber ich finde es schwierig. Bin eine kurze aber steile Abfahrt gefahren, wo viel loses Zeug liegt und man bisschen umsetzen muss. Ich musste mich sehr auf die Bremse konzentrieren und teilweise auch aufs Vorderrad schauen. Trotzdem ist es gelegentlich leicht weggerutscht. So flüssig und intuitiv wie mit meinen gewohnten Bremsen ging es nicht. Bei einem sicherheitsrelevanten Bauteil, das intuitiv und auch in Schrecksituationen sicher bedient werden muss, taugt es mir besser, wenn die Funktion den menschlichen Reflexen entspricht. Ein gut spürbarer Druckpunkt und „mehr Bremsen“ = „kräftiger Zufassen/mehr Kraft am Hebel“ finde ich dafür besser als bei einem weichen Druckpunkt hin und her zu regeln und immer zu schauen, wie stark es gerade verzögert.
Deshalb kann ich es mir auch mit mehr Gewöhnung und Übung nicht vorstellen, dass ich beim Geländeradsport mit der Bremse warm werde.
Auf Asphalt wirkt die Bremsleistung hoch und auf gleichmäßigem Untergrund klappts auch mit der Dosierung besser. Die Bremsleistung ist gefühlt aber nicht höher als bei anderen guten Bremsen. Irgendwann rutschts halt, zumal ich mit der Dosierung nicht so gut klar kam. Sonst fahre ich alle Shimano Bremsen von Deore bis Saint und wiege 73 kg.
Die Schwenkbewegung, die der Finger am Hebel macht, fand ich auch nicht angenehm. Aber wie schon gesagt, ich mag einen kurzen Hebelweg und keine großen Fingerübungen.
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